Our Survival Depends On Us – Interview, Salzburg 2015de en

Our Survival Depends On Us

Reise ohne Filter

Our Survival Depends On Us stehen große Zeiten bevor. Die Salzburger Post Metal-Visionäre und Ambient-Schaffenden haben mit ihrem dritten Longplayer Scouts on the Borderline Between The Physical And Spiritual World nicht nur ein langersehntes Album für ihre Anhänger und Weggefährten kreiiert, sondern auch ein expressionistisches und vor allem impressionistisches Lebenswerk für die ganze Welt geschmiedet. Vor einigen Monaten trafen wir die beiden Gitarristen Mucho und Thom für ein sehr aufschlussreiches Gespräch in Salzburg, kurz bevor sie im ausverkauften Rockhouse Ohren und Augen überzeugten.

Der interessante Arbeitstitel der neuen Platte, die 2014 aufgenommen wurde, bietet bereits großen Interpretationsraum und philosophischen Freigang. Autobiographischer Hintergedanke oder doch eher Reflexions-Appell an uns alle?
Gitarrist und Sänger Mucho klärt auf: „Eigentlich sind wir alle als „Scouts“ gemeint. Alle Menschen weltweit, die ihre Augen, Ohren und Herzen geöffnet haben. Ich würde uns nicht mal als Beobachter bezeichnen, sondern eher als Späher im übertragenen Sinne, die in ein fremdes Terrain vordringen und herausfinden wollen, worum es in der Welt bzw. im eigenen Leben eigentlich geht. Fakt ist auch, wir bewegen uns mit unseren Existenzen alle in der materiellen Welt und richten uns dann erst in die feinstoffliche Welt aus. Somit ist auch die Reihenfolge der beiden Attribute „physical“ und „spiritual“ ausschlaggebend. Aber es geht grundsätzlich darum: das Album, das wir hier aufgenommen haben, ist im Grunde als Abriss der Zeit und der Strömungen, in der wir uns bewegen, zu sehen. Deswegen auch der Ausdruck „Scouting“, denn er bedeutet, viel fokussierter und viel klarer am Ball zu sein als z.B. ein Wanderer“

Thom fügt hinzu: „Ein Wanderer ist jemand, der sich treiben lässt. Vielleicht sogar jemand ohne konkreten Ziel und der Späher ist jemand, der einen konkreten Auftrag verfolgt. Und unserer Ansicht nach, hat jeder Mensch einen solchen Auftrag, nur muss er diesen erst finden. Wie die Suche nach dem Sinn des Lebens, wenn man so will. Weil der Sinn des Lebens ist alles, was dich von der Verzweiflung abhält. Und ich glaube, jeder kommt irgendwann in irgendeine Lebensphase bzw. an diesen Punkt. Und vielleicht war es für uns als Band ein Punkt, an dem wir gesagt haben: „Jetzt ist genau dieser Zeitpunkt erreicht, an dem sich viel fokussiert“. Zwischen dem neuen und dem vorangegangen Album – Painful Stories Told with Passion for Life – ist ja relativ viel Zeit vergangen, das geschah aber ganz bewusst, da wir als autonome Künstler einen ganz anderen Zugang haben als so manch andere Band. Somit sehen wir uns auch gar nicht als Musiker, weder instrumentell noch philosophisch. Wir sind Künstler. Das heißt, wir haben Instrumente und wir haben eine Ausdrucksweise und einen Stil gefunden, uns mitzuteilen. Wir müssen in einer gewissen Lebensphase sein, um etwas erzählen zu können. Deswegen haben wir uns auch ganz bewusst zu einer inneren Zäsur begeben. Das Album wurde ja live aufgenommen, somit haben wir uns 9 Tage und 9 Nächte ins Gebirge auf unsere Alm in Salzburg zurückgezogen und uns einem sehr intensiven und auch schmerzvollen Aufnahmeprozess gewidmet, weil natürlich auch dieser Zeitpunkt gekommen ist, zu dem wir alle unsere persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse manifestiert und fixiert haben.“

Man kann also durchaus meinen, das ganze Albumkonzept entstand aus einem einzigen Impuls bzw. einem Gefühl heraus. Da müssen natürlich alle Bandmitglieder an einem Strang ziehen um ein stringentes Werk zu produzieren, was bestimmt auch nicht einfach ist.
Mucho über diese These: „Sagen wir so, bei uns als Band passieren viele Sachen sehr intuitiv, persönliche Empfindungen, Inputs aber auch Outputs verlaufen sehr kompatibel und zeitlos zur gemeinsamen Musikschaffung. Jeder von uns macht Erfahrungen und erst im Kollektiv werden diese auf einen gemeinsamen, höheren Nenner gebracht um diese zu transformieren. Und die Intention bei diesem Album war, dass wir den Zeitgeist, in dem wir uns bewegen, alles was gerade auf der Welt passiert, persönlich transformieren.“
Thom weitet aus: „Es handelt sich um eine permanente Auseinandersetzung mit der Musikalität des anderen. Und das ist besonders wichtig für uns als Band. Und was uns vielleicht alle gleich betrifft bzw. was man auch auf alle Menschen in der Gesellschaft umlegen kann, ist, dass man dazu neigt, sich in der gegenwärtigen Lebensphase einzureden, genau zu wissen wie der Hase läuft. Man glaubt immer zu wissen, wie die Welt rennt. Diese gewisse Art von Überheblichkeit ist mir zutiefst zuwider. Und ich denke, genau diese Einstellung vereint uns fünf Bandmitglieder und deswegen ist uns auch genau dieser Spruch, den wir am Album auch platziert haben, sehr wichtig. Tradition ist für uns nicht die Anbetung der Asche sondern die Weitergabe des Feuers. Und genau um das geht es. Viele der Nostalgiker meinen, dass eh schon alles Gute da war und man kann eh nichts mehr neu erfinden. Aber ich sage, das ist grundlegend falsch! Musik ist etwas, das immer neu erfunden und erneuert werden muss, denn die Welt und die Menschen produzieren immer neue Energien. Vielleicht sogar mit der gleichen Intention! Ich behaupte sogar, dass ein 18-jähriger heutzutage dasselbe Feuer in sich trägt, wie einer aus 1986!“

Starke Worte einer ausdruckskräftigen Band, derer Attitüde man sich als Kunstschaffender und als Mensch öfters annehmen sollte…
Mucho sagt:Musik ist ein extrem starkes Medium. Musik bzw. jede andere Kunstform ist die einzige universelle Sprache, die die ganze Welt ungefiltert versteht. Und gerade Musiker aus dem Metal-Bereich – und das meine ich bei Gott jetzt nicht abwertend – haben oft ihr Alter-Ego so hoch gelegt, dass es wirklich nur noch um das Musiker-Sein oder um das Polieren des eigenen Egos geht und sie vergessen dabei vollkommen, welch Potential oder Macht sie mit ihrer Musik haben. Was für Botschaften sie in die Welt schicken können. Es gibt so viele Bands mit großartigen Musikern, die dann aber stupiden Death Metal spielen, wo es nur darum geht, dass der eine den anderen abschlachtet. Ich meine, wie oft wollen sie das noch in die Welt hinaustragen?“

So eine Aussage weckt natürlich das Interesse, was dann eine Band wie Our Survival Depends On Us mit ihrem neuen Album hinaustragen möchte…
Mucho antwortet: „Ehrlichkeit. Unverfälschte Offenlegung von Gefühlen und keinen Filter mehr vorschieben“
Thom weitet aus: „Kein Verstecken hinter Stilmittel, kein Verstecken hinter Genregrenzen und die Emotionen so vertonen, damit die Musik der ursprünglichen Empfindung entspricht. Wenn eine Nummer z.B. nur Piano braucht, dann braucht sie auch nur Piano etc. Ehrlichkeit bis zur letzten Konsequenz.“

Auch bei Scouts on the Borderline between the physical and spiritual World waren wieder sehr viele Gastmusiker dabei. Neben Zusammenarbeiten mit Victor Santura von Triptykon und Helmut „Heli“ Lehner von Belphegor, war auch Mat McNerney von Hexvessel/Beastmilk mit von der Partie und trug zum kreativen Prozess bei. Wie entstanden diese Kooperationen oder steckt eine bereits länger bestehende Freundschaft dahinter? Mucho erklärt: „Teils, teils. Barth (OSDOU-Bassist) und ich arbeiten ja bereits seit 20 Jahren zusammen und waren auf der ganzen Welt unterwegs, so haben wir auch viele Menschen kennengelernt. Und durch unser Festival – der Sommersonnwendfeier in Abtenau – haben wir natürlich eine weitere, auch internationale Andockbasis geschaffen, aus der sich gewisse Charaktere herauskristallisieren, die schon wie Brüder und Schwestern für uns sind. Viele zwar nicht, aber einige. Und genau da, wo man diese Links spürt, muss man schon fast gar nicht mehr fragen „Möchtest du…?“ sondern es steht einfach im Raum „He, Jungs, ich würde gern!“ Das ist Interaktion!“
Thom meint dazu: „Wir sind quasi die romantische Idee eines Künstler-Komitees, im Sinne von „Work and Progress“. Das heißt, du beginnst mit einem Projekt, öffnest dich, ähnlich wie bei einer Reise. Und die Künstler, die mit dir auf einer Wellenlänger schwimmen, die docken dann an. Dass das vor allem über Ländergrenzen hinaus funktioniert, egal ob nun von Finnland oder aus Island, ist unglaublich schön und harmonisch. Menschen, die sich von unserer Art und Weise, von unserer Philosophie angesprochen fühlen. Aber es ist nichts, wo man stundenlang dasitzt und einen Prozess der Produktion durchquatscht, es ist eine immense Vertrauensgeschichte. Man gibt etwas aus der Hand und es ist unglaublich, wie viel Liebe und Akribie derjenige aufgewendet hat und wie stimmig das Ganze ist und wie sehr derjenige das verstanden hat! Einfach einen Teil der Kontrolle abgeben und dann wird man extrem beschenkt. Wie auf einer Reise. Man geht Risiken ein, vertraut fremden Menschen und bekommt so viel zurück. Genau so war der Produktionsprozess: eine Weltreise mit Rucksack“

Dies ist natürlich auch der Grund, warum sich die Stücke des Albums so sehr voneinander abheben – ruhig über düster bis melancholisch und heavy – und trotzdem eine Einheit bilden.
Und so wie jedes kompetente Künstlerkollektiv legen auch Our Survival Depends On Us großen Wert auf die Qualität ihrer Live-Shows. Doch oft erblickt man die Band nicht und so formte sich unbewusst eine Art Exklusivitätsschleier um die Salzburger Truppe. Die Frage für den Grund dieser Konzert-Rarität beantwortet Mucho mit einem Lachen: „Weil wir keine Heavy Metal-Band sind. Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht genau. Aber wir brauchen einfach eine gewisse Basis, eine Vision sowie Sicherheit, damit das, was wir tun, überhaupt mal zu tragen kommt. Wir suchen uns das raus, was für uns Sinn macht, sei es nun eine besondere Location oder eine besondere Festlichkeit zum besonderen Anlass oder eine Benefizveranstaltung in einer Gegend, wo wir noch nie waren“ Auch Thom findet: „Für den Veranstalter ist es auch ja klasse, wenn er exklusive Bands buchen kann und nicht die xte Band vor sich hat, die ohnehin jedes Monat spielt, dann macht das auch für den Veranstalter mehr Sinn. Aber natürlich ist es verständlich, dass man als junge Band so viel wie möglich spielen möchte, aber da geht uns echt die Qualität vor die Quantität“

Zum Schluss des Interviews bleibt im Grunde noch die heiße Neugierde, was die Band in den nächsten Monaten vor sich hat. Nach mittlerweile erfolgreich absolvierten Festival-Konzerten im Sommer, ist die langerwartete Veröffentlichung des neuen Albums endlich vollbracht.
Thom klingt euphorisch: „Nach einigen Festivalauftritten, vielen Business-Angelegenheiten, dem Video-Feinschliff zu den Tracks Let My People Go und Sacred Heart, steht vor allem natürlich der Album-Release im Vordergrund. Aber es passiert noch einiges in den kommenden Monaten, es geht stetig voran und wir sehen mit positiven Blicken in die Zukunft!“

Our Survival Depends On Us – Scouts On The Borderline Between The Physical And Spiritual World ist seit 6. November 2015 via Ván Records erhältlich

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Photo Credit: Chris Gütl – Captured Moments