Sauzipf Rocks 2013

Sauzipf Rocks 2013 – ein gutes Gefühl wieder daheim zu sein.

Eine Heimat fern der Heimat – traumhafte Kulisse, kumpelhaftes Ambiente und geistesgleiche Zeitgenossen. Hier fühlt man sich wohl und geborgen und inmitten Gleichgesinnter verstanden und gut aufgehoben.

Die 13. Ausgabe des legendären Festivals im beschaulichen Döbriach/Millstättersee in Kärnten fand dieses Mal unter ganz besonderen Umständen statt. Der Erhalt des Festivals wurde in den letzten Jahren auf eine harte Probe gestellt, zumal die Verlegung einer Gas- Pipeline durch das Festivalgelände für 2013 wiedermal abgewimmelt werden konnte, aber nach wie vor als Thema für die nahe Zukunft der Veranstaltung besteht. Außerdem wurden Mitarbeiter der Vegan-Kulinarik wegen Tierschutzaktivitäten angeklagt. Dem Sauzipf Rocks können aber auch diese Wässerchen nicht trüben und somit bereitet man sich als Veranstalter, Musiker und Besucher auf die zwei schönsten Tage im Jahr vor.

Dank eines zünftigen Warm-Ups am Donnerstag im Bergwerk Millstatt mit Been Obscene, Bloodshed Remains und Southern Dawn hat man schon die angemessene musikalische Einstimmung gefunden, für deren Artenvielfalt das Sauzipf immer schon stark war: Metal, Punk, Experimental, Blues Rock, Stoner und Doom.

Freitag – 9.8.2013

Der Wettergott hat eigentlich ganztägiges Gewitter und Regen versprochen, hält sich glücklicherweise nicht so ganz daran. Viele Wölkchen und stellenweise ein paar Regentropfen finden zumindest am Nachmittag den Weg nach unten. Für Badespaß ist das Ganze dann aber dennoch zu unsicher, so beginnt man die Festivität mit Bier und Musik wenn die Sonne hinter den Wolken am höchsten steht.

Unavoidable aus Oberösterreich sorgen für breitbeinigen Hardcore Metal. Unverfrorene und harte Riffs, shoutender bis growlender Gesang und eine überaus gut gelaunte Band, die zu Interaktionen in den Bereichen Tanz, Haupthaarschütteln und geballten Fäusten einlädt. Meinen persönlichen Geschmack trifft die Gruppe zwar nicht so ganz, dennoch ist es herrlich mit anzusehen wie sich bereits zu Beginn des Festivals eine gewaltig gute Stimmung am ganzen Gelände tummelt.

Der Hunger drängt mich zur Grillage-Bar. Kotelette mit Erdäpfelsalat ist am Sauzipf ungefähr so wichtig wie Sauerstoff, Licht und Bier. Das Schwein, dessen Lende es kürzlich noch um sich trug, sollte heiliggesprochen werden, vor allem aber auch die begnadeten Kochkünste eines jeden, der die Sau eingesalzen und mariniert hat.

Schmatzend und mit der Zunge schnalzend geht’s weiter zu den Berlinern DxBxSx, die gleich als Start mit Ihr! Alle! Immer! vom gleichbetitelten Album einen abwechslungsreichen Kunstmix aus räudigem Garage-Punk und verspieltem Groove mit Stoner-Ambitionen punkten. Was man zunächst als Musik aus der Punk-Mülltonne abfertigen will, wird bei genauerem Zuhören kristallklarer Niveau-Rock n Roll…ehrlich und auf smarte Art sozialkritisch.

Und die Auszeichnung für die größten Deppen des Abends geht an….Circle! Ich ahnte ja schon böses, als ich diesen gestörten Haufen aus Finnland bereits 2011 am Roadburn gemustert hatte. So schräg, so undefinierbar schräg und doch so faszinierend. Wie in einem Trash-Fitnessvideo bekleidet zu sein und dann noch sein Schauspiel so stoisch und ernst auszuüben, muss man mal schaffen. Was das Sextett im engen Höschen gesanglich in ihrer Landessprache von sich gibt, darf nur vermutet werden, ist aber in diesem Fall völlig belanglos. Tja, was war das nochmal für Musik? Krautrock, Metal, Folk, Psychedelic und Klassik, die dank präziser Instrumentalisierung und Talent tatsächlich großartig und atemberaubend klingen. Nicht nur durch optisches Auffallen seitens Garderobe oder gar lasziven Gesten von Sänger und Keyboarder Mika Rättö gilt dieser Konzertabend als etwas Besonderes. Und ganz am Schluss gibt’s sogar die obligatorische Bass-Gitarren-Pyramide. Ich verneige mich und sage „Danke!“

Immer noch kopfschüttelnd, lachend und zufrieden verspürt man den Magen wie er nach Nahrung bittet. Zum Glück ist man am Sauzipf kulinarisch so gut versorgt, dass man sich keine Sorgen machen muss, dass der Körper eventuell an Schweinsarmut oder karnivorer Unausgewogenheit leidet.

Nach einer gelungenen Bratwurst mit einem herzhaften, reschen Semmerl und allerhand Tunkbeilagen und kaltem Villacher Bier zum Runterspülen, ist man bereit für
Peter Pan Speedrock. Keiner trifft den Geschmack des klassischen Sauzipf-Rockers so passend wie der Hardrock- umwogende Schredder-Prollpunk der drei Holländer. Bei 11 Studioalben in mittlerweile 16 Jahren Speedrock-Historie ist das Repertoire des Auftritts natürlich prall gefüllt mit Klassikern und Neuerem.

Dunkelheit macht sich breit und das nicht nur weil es Nacht ist. Dieser Abend endet für mich schon etwas früher als geplant und begebe mich im Mäander-Gang Richtung Zelt.
Tag Nummer 2 kann kommen!

Samstag- 10.8.2013

Der Regen, der bereits am Vorabend etwas stärker eingesetzt hatte, schlängelt sich noch durch den frühen Vormittag ehe er der Sonne wieder etwas Freiraum schafft.

Das Sauzipf eröffnet am frühen Nachmittag seine größte Tradition: den Schweinsaugenweitspuckwettbewerb.
Faszination und Ekel liegen selten so nah beinander, da vor allem bei dieser Disziplin das Wurfgeschoss am Meisten zu leiden scheint. Viele können den von Sehnen umzogenen Augenbällchen wohl nicht widerstehen, pfeifen auf den Spuckwurf und verzehren das Teil gleich ganz. Einem Mädel gelingt es sogar, 8 Stück mit ihren Zähnen zu zermalmen und ohne Spur von Brechreiz runterzuschlucken. Oha…

Widmen wir uns wieder der Musik. Dave and the Pussies aus den Kitzbüheler Alpen schaffen es als Eröffnungskomitee des 2. Tages einen ins Staunen zu versetzen. Instrumentaler, schwungvoller Rock n Roll trifft auf Surfmusik und Hard Rock. Selten hat mich ein Opener so umgehauen und beschwingt. Nebst Motörhead-Anleihen entspringt das Trio schon beinahe einem Quentin Tarantino-Soundtrack, gut gekleidetes Strandflair erblüht inmitten von Kärntner Bergen und Wäldern. Selbst der triste Himmel scheint sich von der positiven Energie beeinflussen zu lassen und lässt die ersten kleinen Sonnenstrahlen aus seinen Fängen.

Die Erwartungen sind groß, als die Griechen von Nightstalker die Bühne betreten. Und wir sollten nicht enttäuscht werden. Was für eine Wucht. Das urige Go get some vom jüngsten Werk Dead Rock Commandos nimmt man gerne als Befehl auf, den dreckigen Heavy Rock reinzufressen; bei Brainmaker klatscht das Haar von einer Seite zur nächsten. Sänger Argy spielt nicht nur die coole Sau, er ist es auch. Agil, stimmungsgeladen, charismatisch und hüftschwingend lädt er zum musikalischen Stelldichein. Mit Cowbells wird verfeinert, auf Balladen herzhaft gepfiffen und Nightstalker befeuchten so wie man es am liebsten hat – direkt, kompromisslos und kraftvoll. Nach 24 Jahren noch so viel Enthusiasmus zu präsentieren ist für uns alle ein wahrhaft königliches Fußbad.

Treponem Pal– Sänger Marco Neves muss aufgrund einer Beinverletzung das Konzert seiner Band sitzend verbringen. Gut für uns, denn andere Bands hätten bei einem solchen Handicap ihren Dienst quittiert. Für mich galt die Band davor schier unbekannt, so finde ich die Industrial Metal-Truppe gar nicht mal übel. Metallisches, auf Blautönen getrimmtes Licht und ein mit den armen rudernder, heroisch klingender Sänger der von energischen Gitarrenwänden und treibendem Schlagzeug umrankt wird.

Und da wären wir auch schon beim quasi-Headliner angelangt. Kadavar sind ja mittlerweile in aller Munde, somit erspar ich mir die Erklärungen wer, wie, von wo und warum die sind. Wer in den vergangenen 12 Monaten die underground’schen Boulevardmeldungen, Nuclear Blast- Neumitlieder und Vintage- Blues-Formationen aller Art durchstöbert hat, weiß Bescheid. Kadavar wirken heute frisch und überaus motiviert, keine Spur von Tour-Burnout. Bei Black Sun ziehen musikalisch dunkle Wolken auf, Living in your Head wird als schönstes Kompliment aufgefasst und Doomsday Machine als motorradfahrende Wildsau abgetan.
Juveniler Leichtsinn und ein zu hoher Hormonspiegel scheinen einigen Teens im Publikum nicht gerade zu bekommen, so wird sogar bei den ruhigsten Passagen und Zwischenpausen wie verrückt Pogo getanzt – Rhythmusgefühl und musikalisches Verständnis sind sekundär. Sänger Lupus nimmt die Situation mit einem Lächeln und meint „Gebt den jungen Pogern mal nen Joint damit sie runterkommen. Dann wachsen die Haare schon von ganz allein“ Wenn der Meister spricht, wird gefolgt…
Das Retrorock-Trio schenkt dem mittlerweile abgekühlten Sauzipf Wärme, wallende Mähnen und Zeitsprünge in die 70er Jahre ohne versäumten Epochen nachzuweinen, denn das spielt sich alles gerade auf dieser Bühne ab. Großartiger, kurzweiliger Auftritt – mehr gibt es dem nichts hinzuzufügen.

Erstaunlich wie schnell die Zeit vergeht sobald man richtig Spaß hat. Dem setzen Hangee V noch das Krönchen auf, als hätte die Gruppe aus Sardinien gespürt was sich für kongeniale Partystimmung und Ausgelassenheit am Sauzipf abspielt. Wer Dave and the Pussies verpasst hat, dem wird das italienische Quartett würdigen Ersatz bieten. Garage-Punk mit folkigen Einflüssen und abermaliger Surf-Rock verpackt in koketter Kleidung bereichern nicht nur unser aller Hüftschwung sondern sorgen für einen einmaligen Moment – Freiheit, Zufriedenheit und Glückseligkeit sind in Mark und Bein übergegangen und diese Nacht scheint nie enden zu wollen.

Grande Finale…Toner Low treiben dieses Festival in sein Ende und niemand ist für das Jüngste Gericht adäquater: während sich die obere Hemisphäre meines Körpers in die Waagrechte begibt, zieht sich ein ganzer Schwall Stoner Doom übers Sauzipf-Gelände. Man kann den grünen Nebel förmlich sehen, wie er sich durch die Menschenmenge frisst, die Bassvibrationen fühlen sich wie kleine Erdbeben an. Trance und Hypnose nehmen jeden einzelnen von uns ein, bleiartige Schwere belegt in Zeitlupe Körper und Geist. Es ist knapp 3:00 Uhr morgens und ich krieche halb verträumt/halb wach in die letzten Töne und wabernden Doom-Mäntel des holländischen THC-Trios. Das riesige Mammut verabschiedet sich, sein nachhallendes Gestampfe spürt man aber heute noch…

Epilog: mir fehlen die Worte. Ich hatte mit dem Sauzipf Rocks nun das 3. Mal das Vergnügen und schon bei meiner Jungfernfahrt vor 4 Jahren schloss ich es in mein Herz. Selten gibt mir ein Festival so ein rundum positives Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Dank Heiner und seinem Kulturverein weiß man immer was man bekommt, sei es musikalisch, atmosphärisch oder zwischenmenschlich. Und genau diese Komponenten formen das Sauzipf Rocks zu dem was es ist: ein kulturelles Miteinander umwoben von hervorragender Organisation, Frieden und Liebe.

Umso wichtiger ist es dann, dieses Festival am Leben zu erhalten und den etwaigen Bau der Gasleitung abzuwimmeln. Österreich würde ein wichtiges Kulturgut verlieren, Sauzipfianern würde es ein unwiederherstellbares Loch ins Rockherz reißen. Mehr zum Thema Transitgasleitung und vor allem zur Petition gibt es hier: http://www.sauzipfrocks.com/news.de.html?month=201210 und hier:
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/PET/PET_00170/