Stick & Stone Fest 2015

An gewisse Plätze kommt man immer wieder gerne zurück, egal wie weit der Weg dorthin ist. Das Stick & Stone Fest, das mittlerweile zum vierten Mal vom gleichnamigen Kulturverein veranstaltet wird, ist einer davon.
Unbarmherzige UV-Strahlen luden an diesem mächtig heißen Wochenende ein, um Freunde, Gleichgesinnte und Musik-Kumpanen zusammenzubringen und gemeinsam mit Bier, Wein und indischem Dal anzustoßen. Gute Musik und postkartenidyllisches Bergpanorama gab es obendrauf, was braucht man also mehr?

TAG 1

Strahlende Gesichter vor und hinter der Bar, herumtollende Kleinkinder in Hard Rock-Shirts und entspannte Festivalbesucher über den gesamten Bereich verteilt, sorgen für den obligatorischen Woodstock-Touch und Retro-Kitschfaktor.
Weniger süßlich umsorgen uns die prallen Mirror Queen aus New York. Nach substanzgesättigten Wochen mit ihren Tour-Brüdern Danava wurde die Grenze der Funktionsuntüchtigkeit jenseits der Bühne sichtlich überschritten, ihre Ausgebranntheit schaffen sie dennoch beiseitezulassen und kompromisslos-virtuosen Stoner Rock zu offenbaren, dessen Augenmerk sich besonders auf den genuinen Gitarristen Philippe Ortanez richtet.

IMG_4202Erfrischt und agil fegt das italienische Jungspund-Trio Go!Zilla über den Bühnenboden, eingedeckt in Anarcho-Psychedelic und LSD-Fuzz. Das Gesamtpaket birgt jedoch so viel Charme und Spaß, sodass die angesprochene Punk-Attitüde eher juvenilem Trotz inklusive schelmischem Augenzwinkern gleicht. Am Ende werden sämtliche Instrumente verschwitzt aus ihren Positionen gerissen, wovon das Schlagzeug natürlich am meisten zu leiden hat. Bei einer solchen friedliebenden Kulisse kann etwas Zerstörungswut auch nicht schaden.

Irgendwo zwischen transzendentem Hard Rock, Kraut und Hexenzirkeln spinnen Danava ihre whiskey-getränkten Fäden, sodass der Wahnsinn auf der Bühne auch bald das Publikum eingesponnen hat. Provokant und anzüglich, halsbrecherisch und lasziv bricht das Quartett aus Portland an diesem Abend so einige Genicke und lässt Sex und Punk regieren, wobei hinzuzufügen ist, dass das ausübende Organ hier eigentlich in einer Flasche Jack Daniels ruht und als drittes Auge über uns schwebt um für Unzucht und Unordnung zu sorgen.
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Die ausgelöste Rastlosigkeit wird vom deutschen Psychedelic-Urgestein Vibravoid wie von einer Dosis Valium runtergedreht – nun herrschen Space-Rock, niemals enden wollende Orgel-Schauer und viel Monotonie, die wie Bong-Rauch eingesogen werden. Befremdend und verspielt zugleich schafft das Trio eine unzerberstbare Klangmauer, die von der fast 20-minütigen Coverversion von In-A-Gadda-Da-Vida kurzzeitig abgetragen wird. Dass die Spielzeit der Band fast schon frech überzogen wird und den Slot der darauffolgenden Obelyskkh minimiert, wird dann aber mit Unmut aufgefasst. Diese lassen es sich trotzdem nicht nehmen, ein spannendes und übellauniges Doom-Set rauszukotzen. Miesmutig ist zu unser aller Glück nur die Musik, die Band dahinter schenkt uns aufmunternde Zurufe, Verneigungen und Dank – was in selbiger Intensität auch vom Publikum zurückgegeben wird.
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Nach einem so amourösen und bewegungsfreudigen Tag darf zum Abschluss zu Sabbath, Zeppelin und Cream in Liquid Light-Atmosphäre getanzt und am Boden herumgekrochen werden, ehe mit einer eisigen Nacht das krasse Pendant zum Tagesklima einbricht.

TAG 2

Nach einem fulminanten Frühstück, das eigens vom Vereinspersonal zur Verfügung gestellt wurde, vergehen auch die größten Katerschmerzen. Gestärkt durch Wurstsemmels Kraft darf noch einige Stunden am Campingplatz oder am Kerngelände gechillt werden, bis schließlich am späteren Nachmittag die Musik wieder erklingt.

Dem Sound von Communication Killer nach zur urteilen, haben Road- und Biker-Movies a la Easy Rider als Inspirationstrank gedient, so locker und abgefuckt zieren sie das Bühnenbild. Die viermann-starke Truppe aus dem benachbarten Kärnten hält von musikalischen Verschnörkelungen nicht viel, bodenständiger Garage-Rock mit altbekannten Hard n Heavy-Allüren stehen am Haushaltsplan. Das Rad wird hier zwar nicht neu erfunden und auch der Gesang obliegt dem Gewöhnungsbedürfnis, als Opener dieses sonnigen Festivaltages funktioniert die Band jedoch recht gut.
IMG_4920Als sich das Publikum bereits verdichtet und Bier und Kulinarik schmatzend und schnalzend konsumiert werden, dürfen KRPL – deren Aussprache selbst innerhalb der Band unsicher ist – Gitarrenkeule und Schießbudentrommeln schwingen. Ein brachialer Sturm fegt von der Bühne, der für offene Mäuler und ungläubiges Kopfschütteln sorgt: bleischwerer Post-Metal, der zum Höhepunkt wie aus dem Nichts gebremst wird und so für ein innovatives Rhythmus- und Klangerlebnis sorgt. Selbst die herumwuselnden Knirpse wackeln vergnügt mit ihren in Windeln gewickelten Hinterteilen und spendieren Applaus, so wie man es sich von den Erwachsenen auch abschaut.

Für The Roaring 420s kann man den bereits eingespielten Swing zwar behalten, sollte ihn aber einen Gang runterdrehen. Die Dresdner Truppe überzeugt vor allem mit psychedelischem Surf Rock, Black Angels-ähnlichem Gesang und zuckersüßen, eingängigen Melodien. Feengleiche Bewegungen werden von lethargischen Lyrics umrahmt, einmal lugt sogar eine Sitar hervor und fungiert als exotisches Reiskorn am aufgetischten Schokobecher. IMG_5028

Mit kleinen Schritten nähert sich die Dämmerung, mit großen Schritten Stonebride – das extrovertierte Hackbeil aus Kroatien. Den Ruf als kurzweilige und höchsttalentierte Live-Band haben sich die vier Herren wohlverdient, sei es nun dank der kraftvollen Stimme von Frontmann Sinisa oder den originellen Riffs. Vielleicht ist es auch die Weihnachtsdekoration, die an diesem Tag das Drum-Set schmückt und für besondere Bewunderung sorgt. Die Pearl Jam auf Acid lassen es sich auch nicht nehmen, ein abwechslungsreiches Set aus älteren Stücken und Stoner-Brocken des neuen Longplayers Heavy Envelope vorzuführen und auf Tuchfühlung mit dem Publikum zu gehen.

IMG_5245So viel Wucht und Ausdruck können nur Mos Generator toppen und setzen nach Stonebride den Grundstein für einen mächtig dröhnenden und energiestrotzenden Abend. Die legendenumwobene US-Live-Rarität kennt keinen Halt und keine Pause. Harte, unersättliche Bärtige stoßen auf eine harte, unersättliche Crowd. Ein unerbittliches Testosteron-Battle nimmt seinen Lauf, das Gitarrist und Sänger Tony und Basser Sean fest im Würgegriff haben und zeitgleich als Sympathisanten Authentizität versprühen.
Im schweißnassen und überglücklichen Zustand lässt einem die Euphorie so schnell nicht los, denn mit Elder fährt die Odyssee der meisterhaften Instrumentenobsession fort. Der Opener Dead Roots Stirring gilt fast schon als archaischer Klassiker des Undergrounds, wobei die Konzertnacht eher von den Songs des monströsen neuen Albums Lore dominiert wird und dabei ganze Atome und Gehirnzellen gespalten werden. Kaum eine andere Band hat innerhalb weniger Jahre mit purem Stoner Rock und gezieltem Gejamme eine so große Fangemeinde um sich scharen können. Elder haben ihre Live-Qualitäten sichtlich optimiert und überzeugen daher mit astronomisch hoher Punktzahl. Top!!!

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Monolord mussten ihren Auftritt aufgrund familiärer Hindernisse leider absagen. Ein schwerer Verlust, dem man lange nachweinen wird. Substituierend konnten die kroatischen Jastreb rechtzeitig an Land gezogen werden, die nicht nur Freunde sondern nun auch Line-Up-Retter des Kulturvereins sind. Von simplem blauen Licht durchflutet, beginnt ein irrer Trip der Monotonie, indem gefühlt stundenlang ein und dieselbe Melodie angespielt wird. Stoisch und ernst vergießt das Trio keine Regung und verharrt in seiner eigenen Coolness. Zu dieser späten Stunde gibt es eigentlich Spannenderes, der Schlendergang zum Zelt ist somit eine passable Alternative.

Mehr wohlwollende Worte als in den Vorjahren kann man für das Stick & Stone Festival und seinen Kulturverein schon gar nicht mehr finden, so perfekt und liebevoll dieses Event von Jahr zu Jahr veranstaltet wird. Mit pausenlosen Sonnenstrahlen zeigte sich diesmal auch der Wettergott dankbar, gleich viel Anerkennung gab es ebenfalls von den rund 250 Besuchern. Mit einem kreativen Künstlermix, der es auch heimischen Musikern ermöglicht vor einem verbundenen und besonnenen Publikum auftreten zu können, gebührt dem Verein ein Perpetuum mobile voll positiver Kritik und Lob. Weiter so, Jungs!

Ruth für stonerrock.eu

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